Nachhaltigkeitsstrategie
Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2008
zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
der Deutschen Bundesregierung


Vorbemerkung
Der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates der Deutschen Bundesregierung Volker Hauff erklärt am im Handelsblatt 14.05.2008 : "Wir müssen der Bundesregierung ungeschminkt sagen, dass sie weitgehend gescheitert ist." Diese Negativ-Bilanz zieht der Rat für Nachhaltige Entwicklung aus dem Indikatorenbericht 2007 des Bundesamtes für Statistik. Zwei-Drittel der Nachhaltigkeitsziele werden nicht erreicht. Dazu fehle die notwendige Kooperation und Bereitschaft zur Nachhaltigkeitsstrategie innerhalb der Regierung sowie zwischen dem Bund und den Ländern. Dem Bundeskanzleramt sei es federführend nicht gelungen die Ministerien so zu koordinieren, dass sie an einem Strang ziehen.

Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung bewertet die
Fünf-Jahres-Bilanz der Nachhaltigkeitsstrategie und benennt im Umweltgutachten 2008 ausgeprägte Defizite in den Bereichen (Umwelt)Politikintegration, Außendarstellung und Partizipation. So sei der Nachhaltigkeitsprozess bis heute in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt geblieben und auch die Medien zeigten kein nennenswertes Interesse am eher abstrakten Konzept der Nachhaltigkeit. Zur verbesserten Ausgestaltung einer horizontal und vertikal kohärenten Nachhaltigkeitspolitik empfiehlt der Sachverständigenrat die Durchführung eines Nachhaltigkeitsgipfels in Deutschland.



Nationaler Nachhaltigkeitsgipfel
Im Jahr 2003 wurde aufgrund der sich abzeichnenden Klima-, Energie- und Ölpreisentwicklung die Notwendigkeit eines integrativen Nachhaltigkeitsgipfels in Deutschland erkannt und im Zusammenwirken mit herausragenden Umwelt- und Wirtschafts-verbänden auf den Weg gebracht. Auf Empfehlung des Nachhaltigkeitsrates, erteilte das Kanzleramt 2004 einen Prüfauftrag, um festzustellen, wie in absehbarer Zeit ein solches Vorhaben zu realisieren sei. In Abstimmung mit der AG Nachhaltigkeit der Bundesressorts wurde das Veranstaltungsformat auf die integrativen und medienrelevanten Erfordernisse der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregieung konsequent ausgerichtet. Mit Hinblick auf den Fortschrittsbericht 2006 bestand die Zielsetzung: 1.) Veranstaltungen von Ministerien, Nachhaltigkeitsrat und Interessenverbänden in Einem Konferenzrahmen effektiv zusammenzuführen sowie 2.) im Rahmen einer öffentlichen Messe zu nachhaltigen Produktions- und Konsummustern, nicht nur die ressortübergreifenden Probleme, sondern vor allem die volkswirtschaftlichen Chancen und positiven Effekte der Nachhaltigkeit in Verbindung mit "Made in Germany" sichtbar und greifbar zu machen.



AG Nachhaltigkeit der Bundesregierung
Im Dezember 2004 machte das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF
(in Absprache mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundespresseamt) den Vorschlag, geplante Eigenveranstaltungen von Ministerien zum Thema Nachhaltigkeit im Rahmen einer öffentlichen "Positive Fair 2006" durchzuführen. Seitens der Deutschen Bundesregierung bestand großes Interesse an einer breit angelegten Eröffnungs- und Abschluss-Veranstaltung sowie an Podiums-Diskussionen mit anderen Stakeholdern - um unter Beteiligung von Ministern und Bundeskanzler - den Schulterschluss der Akteure zur nachhaltigen Entwicklung öffentlich zu verdeutlichen.

Die AG Nachhaltigkeit bestätigte im Februar 2005 (in Absprache von BMBF, BMU, BMZ, BMWA, BMVEL, AA, BPA, Nachhaltigkeitsrat und Bundeskanzleramt), dass das Vorhaben "Positive Fair" den erforderlichen Kommunikationszielen der Nachhaltigkeitsstrategie entspreche. Im März 2005 plädierten BMU, BMZ und BMBF gemeinsam für ein positives Votum der Bundesregierung sowie dafür, die Anliegen der Deutschen Bundesregierung durch das federführende Ressort in den Lenkungskreis von Messe und Konferenz einzubringen: Da sich mit der "Positive Fair" die dringend notwendige Vernetzung zwischen den Themen sowie auch den Ressorts bewerkstelligen lasse, so das Bundesumweltministerium.



Empfehlung zum Fortschrittsbericht 2008
Der angestrebte Nachhaltigkeitsgipfel “Positive Fair" wurde im Mai 2005 ausgesetzt, als erkennbar wurde, dass die Bundesregierung ihre Ziele nicht mehr erreichen würde. Trotz entsprechender Randgespräche wurde das Vorhaben unter der Großen Koalition ausgeklammert. Damit wurden wesentliche Chancen verschenkt, eine dringend notwendige, öffentliche Debatte über Nachhaltigkeitsthemen und deren breite wirtschaftliche und soziale Relevanz zu stimulieren. Auch wurden damit Potentiale verschenkt, um aus der "unscharfen" Nachhaltigkeitsstrategie - in großer Koalition - etwas wirklich Großes zu machen.

Um die Nachhaltigkeitsstrategie zukünftig in den Punkten: Politikintegration, Partizipation und Außendarstellung wirkungsvoll auszugestalten, ist nach Ansicht des Sachverständigenrates der Bundesregierung vom Juni 2008, nun ein Nachhaltigkeitsgipfel von zentraler Bedeutung. Diese Empfehlung sollte daher im Fortschrittsbericht 2008 im Zusammenwirken mit den Vorleistungen der AG Nachhaltigkeit zur "Positive Fair 2006" eingehend diskutiert und konkretisiert werden. Dabei sollten die Faktoren Wettbewerbsfähigkeit, öffentliche Transparenz und die europäische Dimension eine bedeutende Rolle spielen. So, wie dies nachfolgend zum Ausdruck kommt:

"Wir glauben, dass die „Positive Fair 2006 “ eine einzigartige Chance darstellt, um ein öffentliches Forum für Good Corporate Citizenship und nachhaltige Unternehmens-Führung zu schaffen. Wir glauben, dass die "Positive Fair" dazu beitragen kann, die Kluft zwischen der Fach-Community und der breiten Öffentlichkeit zu überbrücken, indem sie den Konsumenten und andere Stakeholder befähigt, ein besseres Verständnis für Corporate Citizenship, den zu Grunde liegenden Konzepten und deren praktische Anwendungen zu erhalten. Die "Positive Fair" könnte tatsächlich dazu beitragen eine sehr notwendige öffentliche Debatte über Nachhaltigkeits-Themen und deren breite soziale Relevanz zu stimulieren. Aus diesen Gründen hat der UN Global Compact beschlossen, Partner der "Positive Fair 2006" zu werden." (UN Global Compact, 08.03.2005)

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Meusel

Projektbüro Positive Fair
Integrale Nachhaltigkeitskommunikation
Niederlande, 01. September 2008

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Stellungnahme















































Quellenangabe und ergänzende Informationen:

2004 Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates
Dr. Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, Rede zur 4. Jahreskonferenz am 11.11.2004, Berlin

Unter dem Motto "Werte für die Zukunft - Woran orientiert sich Deutschlands Zukunft" - machte der Ratsvorsitzende Dr. Volker Hauff drei konkrete Empfehlungen gegenüber dem Bundes-kanzler. Um in Zukunft bestehen zu können, braucht Deutschland eine breite gesellschaftliche Debatte über Werte und Zukunftsfragen die unseren Alltag bestimmen. Die Wirklichkeit zwinge zu der Einsicht, dass der Agenda 2010 eine viel breiter angelegte Agenda der Zukunftsfähigkeit folgen müsse. Dazu braucht es positive Vorbilder..."Der zweite Vorschlag geht an die Wirtschaft und Politik und betrifft die öffentlichkeits-wirksame Präsentation und Diskussion von guten Beispielen zu werthaltigen Innovationen. Er geht vorrangig an die Wirtschaft und Wissenschaft. Es gibt eine Reihe von guten Beiträgen zu nachhaltigen Produktions- und Konsummustern, zum Beispiel aus der Bauwirtschaft, aus der Nano-Technik, aus IT-Anwendungen, aus der Agrarforschung, zur KFZ-Technik, aus den Sozialwissenschaften. Immerhin gibt der Staat, aber auch die Wirtschaft hierfür beträchtliche Geldsummen aus. Ich sehe es aber mit großem Bedauern und einigem Erstaunen, dass die vielen guten Beispiele kaum öffentlich sichtbar gemacht werden. Ich halte die Zeit für gekommen, dies zu verbessern. Die Zeit ist reif für eine öffentliche Messe zur Nachhaltigkeit. Messen ursprünglich sind Orte von Wettbewerb, der Diskussion und der öffentlichen Teilhabe: Alles das braucht die Nachhaltigkeit und mittlerweile darf man getrost sagen: Sie kann es auch."

Zur ganzen Rede



2006 Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates
Dr. Angelika Zahrnt, Eröffnungsrede zur 6. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung am 26.09.2006, Berlin

"Im letzten Jahr fand unsere Jahreskonferenz mitten im Wahlkampf statt. Der damalige Bundeskanzler Schröder hielt eine überzeugende Rede zur Klimapolitik - es wäre gut gewesen, wenn er eine genauso überzeugende stringente Klimapolitik während seiner Amtszeit gemacht hätte. Stattdessen hat er das nationale klimapolitische Ziel von 2005, die CO2-Emissionen um 25 % zu reduzieren, einfach abserviert, als erkennbar wurde, dass die Regierung dieses Ziel nicht erreicht. Wer so mit politischen Zielen umgeht, macht Politik unglaubwürdig... Vor einem Jahr wusste niemand, ob und wie es mit der Nachhaltigkeits-strategie weitergehen würde. Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag die Fortsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie angekündigt. Sie hat damit für Kontinuität gesorgt, das ist positiv - aber bei der Ankündigung ist es bis heute geblieben. Vorangekommen ist die Nachhaltigkeitsstrategie seitdem nicht. Dabei ist der Zustand der Welt alarmierend... Der Großen Koalition fehlt die Bereitschaft, aus der Strategie zur Nachhaltigkeit wirklich etwas Großes zu machen, nämlich eine Leitlinie einer Politik für die Zukunft. Ein Programm für die Zukunft. Die Nachhaltigkeitsstrategie wird - und das ist ein großer Fehler - nicht an die Spitze der Reformprojekte gestellt. Mit hohem Streitwert redet man über einzelne Reformen: Staatsschuld, Gesundheit, Energie, Renten oder Mobilität… Das Wort Nach-haltigkeitsstrategie fällt niemandem im Zusammenhang mit der deutschen Reformpolitik ein… Der rote Faden Nachhaltigkeit, der sich durch alle Politikfelder ziehen sollte, hat sich schon in der Vorgängerregierung im Hick-Hack der Ressorts und im Klein-Klein des Alltags verloren, und diese Regierung hat kein erkennbares Interesse, den roten Faden zu finden."

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2008 Nachhaltigkeitsrat zieht Bilanz
Der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates, Handelsblatt am 14.05.2008

"Wir müssen der Bundesregierung ungeschminkt sagen, dass sie weitgehend gescheitert ist". Diese niederschmetternde Bilanz zieht der von ihr eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung in seinem "Ampelbericht". Zwei Drittel ihrer Nachhaltigkeitsziele wird die Bundesregierung ohne einen grundsätzlichen Politikwechsel nicht erreichen. Der Rat ist unzufrieden damit, dass die Regierung die eigenen Ziele wenig ernst nimmt und darüber hinweg täuscht, dass sie kaum vorankommt. Den vom Statistischen Bundesamt 2007 erstellten Indikatorenbericht habe sie ignoriert, statt das Fiasko zu erkennen und Konsequenzen zu ziehen. Die 2002 von Rot-Grün entwickelte und von der Großen Koalition fortgeführte Nachhaltigkeitsstrategie sei richtig konzipiert. Sie beinhalte ambi-tionierte Ziele und Zeitvorgaben, sinnvolle Indikatoren, ein Monitoring und die politische Verankerung beim Bundeskanzleramt im ressortübergreifenden Staatssekretärs-ausschuss, dem "Green Cabinet". Aber diese Instrumente allein helfen nicht, eine konsequente und wirksame Politik zu machen. Dem Bundeskanzleramt sei es nicht gelungen, die Ministerien so zu koordinieren, dass sie an einem Strang ziehen. Die Ministerien müssen ihre Ressortegoismen überwinden", fordert Hauff. Zudem seien die Ziele auf konkrete Maßnahmen für Länder und Kommunen herunter zu brechen. Doch die Länder und Kommunen orientieren sich meist nicht an der nationalen Nachhaltigkeits-strategie und ihre qualitativ sehr verschiedenen Maßnahmen sind nicht aufeinander abgestimmt. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe nachhaltige Entwicklung, die dafür sorgen sollte, wurde im November 2007 aufgelöst. Elf der 16 Bundesländer lehnten es jetzt ab, dem Rat mitzuteilen, für welche Indikatoren sie den Bundesdurchschnitt übertreffen.

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Umweltgutachten 2008

Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung, 18.06.2008

Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gilt im internationalen Vergleich durchaus als Positiv-Beispiel. Dennoch bleibt sie in wesentlichen Punkten verbesserungswürdig. Ausgeprägte Defizite bestehen im Hinblick auf Politikintegration, Außendarstellung und Partizipation. Zur besseren Ausgestaltung kommt der "Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung" zu folgender Empfehlung:

Nationaler Nachhaltigkeitsgipfels:
Zur besseren Verstärkung und Vernetzung des Nachhaltigkeitsprozesses wird die zweijährliche Veranstaltung eines Nachhaltigkeitsgipfels empfohlen, der die relevanten Akteure zu einem strukturierten Diskurs zusammenbringt (RNE, "Green Cabinet", Interessenverbände, Vertreter der Bundesländer und der kommunalen Spitzenverbände). Aufgabe wäre die aktuelle Bilanzierung des Nachhaltigkeitsprozesses und die Justierung seiner Zielstruktur. Entscheidend ist der wissenschaftliche Input zur Langzeitentwicklung und zur Zielerreichung, die Stellungnahme wichtiger Ressorts zu zentralen Problemfeldern und der anschließende Stakeholder-Dialog. Die Vorbereitung des Nachhaltigkeitsgipfels sollte beim Staatssekretärsausschuss liegen und mit dem Nachhaltigkeitsrat abgestimmt sein.

Partizipation und öffentliche Kommunikation:
… die wesentlichen Inhalte der Nachhaltigkeitsstrategie wurden in einem der Öffentlichkeit wenig zugänglichen Verfahren im Bundeskanzleramt koordiniert, das die inhaltlichen Zuarbeiten der Sektor-Ministerien zusammenfügte. Dabei fiel insbesondere die wissen-schaftliche und parlamentarische Mitarbeit äußerst gering aus. Darüber hinaus ist insgesamt zu konstatieren, dass der deutsche Nachhaltigkeitsprozess in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt bleibt. Dies liegt zum einen daran, dass die Bundes-regierung die Nachhaltigkeitsstrategie – anders als etwa die "Agenda 2010" – nur unzureichend beworben hat. Auch die Medien zeigen weiterhin
kaum Interesse für das eher abstrakte Konzept der Nachhaltigkeit.

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Stellungnahme













Internationale Messe
für nachhaltige Entwicklung
und globale Verantwortung
Globale Maßlosigkeit

 

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